Unsere Solidaritäterklärung gibt den Stand der dramatischen Ereignisse vom Freitag, den 16.05 wieder. Inzwischen wissen wir, dass die damalige Hoffnung, doch noch einen Teil der Bergleute zu retten, sich als Illusion erweisen musste. Obwohl der Text auf diese inzwischen enttäuschte Hoffnung eingeht, haben wir uns entschlossen, ihn nicht gegenüber der neuen Aktualität zu anzupassen, er soll ein wahrhaftiges Dokument des Augenblicks und der Anteilnahme bleiben, die ganz aus dem Moment geboren wird. Nach dem Weiterlesen Link kommt dann die Erklärung:

Liebe Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener, Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wir von AUF Gelsenkirchen und unserer Tochter-Organisation Kumpel für AUF sind tief erschüttert über das Grubenunglück im Soma, bei dem so viele Bergleute ihr Leben ließen. Unsere Herzen sind voller Trauer und bei denen, die ihre Liebsten für immer verloren haben. Unser Bangen und Hoffen ist  auch bei denen, die Tief unten noch eingeschlossen sind, bei ihren Vätern, Müttern, Frauen und Kindern und all ihren Verwandten und Freunden. Mit ihnen hoffen wir.

Wenn Bergleute nach Unglücken aus schwierigen, ja aussichtslosen Situationen gerettet werden wie 2011 in Chile,  wo die Bergleute drei Monate unter Tage ausharren mussten, oder vor Jahrzehnten in Legende, als die Suchtrupps schon alles aufgegeben hatten, spricht man gerne von einem Wunder und  von den Helden, die das vollbracht haben.

Auch wir hoffen für die Eingeschlossen und ihre Angehörigen auf ein solches Wunder. Wir wünschen es ihnen von ganzem Herzen, auch wenn wir wissen, das dies, denen kein Trost sein kann, die jetzt schon ihre Toten beweinen müssen.

Aber wir sind nicht nur voller Trauer, Schmerz und Hoffnung. Unsere Herzen sind auch voller Empörung, Zorn und Verachtung. Verachtung für all diejenigen, die unmittelbar oder mittelbar für das Unglück Verantwortung tragen. Wir hören von einer defekten Elektrik, einem Transformator, der den Brand ausgelöst hat. Wir hören von mangelhafter Wartung.

Wir sind empört, wenn wir hören, das die Oppositionspartei in Ankara beantragte, kleinere Unfälle in dieser Mine zu untersuchen, und dass dies die Regierungspartei Erdogans verweigert hat, weil angeblich früher ja alles in Ordnung gewesen sei.

Wir sind empört, wenn Recep Tayyip Erdoğan sich hinstellt und sagt:  So was passiere eben, und hat dann die Zahlen der Toten bei den Grubenunglücken von 19. Jahrhundert bis heute fehlerfrei parat. Kein Wort des Mitgefühls gegenüber den Angehörigen.

Wir möchten ihn nur eine Schicht in eine Bergmannskluft stecken, und einem Steiger mitgeben in 2000 Meter Tiefe, im Bohrvortrieb wo es stickig ist und heiß, in ein mäßig gesichertes Bergwerk, um dann zu sehen, wie er danach spricht.

Die Mitglieder von Kumpel für AUF setzen sich für Bergleute ein, für streikende Bergleute, für um ihre Sicherheit streikende Bergleute. Sie waren Gast auf der Internationalen Bergarbeiterkonferenz in Peru im Mai und organisierten ein internationales Bergarbeiterseminar in Gelsenkirchen mit 700 Teilnehmern aus 14 Ländern in 2008. Sie haben ein ziemlich guten Überblick über die Sicherheit im Bergbau und ihren  Standard weltweit.

Sie wissen, Gefahren gehören zum Leben des Bergmannes, aber Unglücke haben einen Verursacher. Skrupellos sparen Bergbaukonzerne an der Sicherheit für die Bergarbeiter, um mehr Profit aus der Mine rauszuholen.

Das muss aufhören, dagegen kämpfen wir gemeinsam, mit Kumpel für AUF weltweit.

Wir zweifeln nicht, das die 400 türkischen Bergungskräfte alles tun werden, alles menschenmögliche und menschen-unmögliche, um die Eingeschlossen noch zu retten. Dann werden  sie die Helden sein, die das Wunder vollbracht haben, wir wünschen es den Bergleuten, den Angehörigen und den Rettern.

Aber  das Wissen wird bleiben, das aus diesem Wunder, wenn es denn kommt, dann keine Heldengeschichte mehr werden kann. Wir haben Wut und Trauer. Trauer für die Angehörigen, die einen Verlust eines geliebten Menschen zu beklagen haben. Und Wut gegen die Ausbeuter der Bergleute auf Kosten der Sicherheit. Ihnen sagen wir den Kampf an. Hoch die Internationale Solidarität und Glückauf.

Gelsenkirchen, 16.5.2014