Dr JooßDass beim Abfackeln die Gase rückstandslos verbrannt werden, und nur Wasserdampf und Kohlendioxidin die Luft gelangen ist nicht richtig.

Kohlendioxid ist ein farbloses Gas und damit im sichtbaren Licht unsichtbar. Wasserdampf erscheint bei hoher Dichte weiss bis hellgrau. Wenn schwarze Rauchfahnen auftreten, sind notwendigerweise andere Inhaltsstoffe im Abgas. Die Aussage von AUF Gelsenkirchen, dass es sich um eine unvollständige Verbrennung handelt, bei der Ruß und Feinstäube entstehen, ist richtig. Feinstäube unter 10 µm Größe können tief in die Lungen eindringen, bei unter 1 µm Größe sogar in die Blutgefäße.

Die entscheidende Größe bei Feinstäuben ist nicht ihre Masse, die verschwindend gering sein kann. Entscheidend sind die Partikelzahl und die mit geringerer Größe zunehmende spezifische Oberfläche. Diese ist in der Regel hoch reaktiv und insbesondere hydrophobe Stoffe, wie aromatische Kohlenwasserstoffe neigen dazu, an ihren Oberflächen zu adsorbieren. Insofern ist mit der Feinstaubemission aus unvollständiger Verbrennung die große Gefahr der Ausbreitung von Giftstoffen verbunden.

Nach einer neuen wissenschaftlichen Studie eines 30 köpfigen internationalen Forschungsteams vom Juli 2013 (Environmental Research Letters1) werden durch Feinstäube weltweit pro Jahr mindestens 2 Millionen Menschen getötet. Feinstäube verursachen unter anderem Krebs sowie Herz‐Kreislaufkrankheiten. Obwohl Feinstäube eine große Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, wird in Abgasen nur der Gesamtstaubgehalt gemessen und nur dieser unterliegt einem Grenzwert

.Die Forderung von AUF Gelsenkirchen nach Schluss mit dem Abfackeln ist daher unbedingt zu unterstützen. Die konstruktive Forderung nach einer Notentspannung in einem geschlossenen System und der Wiederverwertung der Rohstoffe ist technisch und ökologisch sinnvoll.

Ich halte es darüber hinaus für notwendig eine grundsätzliche Kritik an der heutigen Petrochemie zuentwickeln. Sie dient überwiegen der Erzeugung von Treibstoffen aus fossilen Quellen und trägt damit zu der Entwicklung einer raschen Weltklimaerwärmung mit katastrophalen Folgen für die Menschen bei. Sie benutzt extrem energieaufwändige, chaotische Verfahren der „harten Chemie“, die zu tausenden von unerwünschten und oft giftigen Nebenprodukten führt (siehe zum Beispiel die Benzolfreisetzung in den Anlagen bei BP). Dazu kommen Emissionen weiterer aromatischer Kohlenwasserstoffe, Schwefeldioxid und Stickoxide. Stattdessen müssen Verfahren der Erzeugung solarer Treibstoffe mittels Sonnenlicht aus Wasser oder Kohlendioxid großtechnisch entwickelt und eingesetzt werden. Die Zukunft gehört einer solaren Chemie die umweltgerechte Produkte, wie Farben, Öle, Biokunststoffe und Treibstoffe mittels niederenergetischer, sanfter und gezielter Prozesse aus erneuerbaren Ressourcen erzeugt. Damit können auch viele zukunftsorientierte Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden.

Abschließend möchte ich noch bemerken, dass nach meinem Eindruck der Artikel von Frau AngelikaWölke in der WAZ vom 17.5.2014 es an der gebotenen journalistischen Sorgfalt vermissen lässt, und sichzum Sprachrohr von Lobbyinteressen, hier BP macht. Warum eigentlich?

Prof. Dr. Christian Jooss, Materialphysiker, Göttingen.

1Raquel A Silva et al 2013 Environ. Res. Lett. 8 034005 doi:10.1088/1748‐9326/8/3/034005, siehe auch
http://blogs.discovermagazine.com/imageo/2013/07/17/air‐pollution/#.U3i9D3Z_wr2