150416 Montags Demo gegen das Abfackeln.geaendertGroßes Interesse am brandaktuellen Thema bewiesen die rund 90 Teilnehmer/innen und zahlreichen Passanten, die sich an der 527. Montagsdemo beteiligten. Martina Reichmann und Thomas Kistermann als Moderatoren gaben die ersten Stichworte und Fragen für eine sehr kontroverse Debatte. Störfall, Unfall – wie sehen Experten und Menschen vor Ort, was am 27.3. passierte? Arbeitsplätze vor Umweltschutz?! Auch in den online-Medien häufiger Diskussionspunkt. Was berichten, was fordern Anwohner? Stoff für die Diskussion gab es reichlich.

Was im BP-Werk Scholven sich ereignete, hat viele beunruhigt. Fackelschein bis nach Borken und Xanten, zahlreiche Beschwerden über den Gestank und den unerträglichen Lärm. Ein Anwohner aus Hassel machte sich Luft: „Ich wohne ungefähr einen Kilometer Luftlinie von der Anlage entfernt, da sehe ich die Fackeln genau, wenn ich mit meinen Hunden am Lüttinghof unterwegs bin, ob morgens, mittags oder abends. Seit Mittwoch dem 25.3. waren vier Fackeln aktiv, am Donnerstag ebenfalls, am besagten Freitag gab es eine starke Geräuschentwicklung. Bis heute ist es immer noch so, dass Fackeln aktiv sind, mal drei, mal zwei, heute mal nur eine. Nach dem Unfall ging das sieben Tage lang so, wir mussten wegen Geräusch- und Geruchsentwicklung die Fenster zu machen, viele konnten kein Auge zu machen, oder schliefen wie ein Nachbar von mir letztlich vor Erschöpfung ein.“

Einige der zahlreichen Kommentare aus Online-Portalen hatte eine Teilnehmerin auf einer Stellwand zusammen getragen. Ein Beispiel, das viel Zuspruch bekam: „Geruch ..., der bislang noch nicht identifiziert und bestätigt werden konnte ... wenn mehrere Leute diesen Geruch wahrgenommen haben, dann ist das eine Bestätigung. Der Bankräuber hat den Banküberfall noch nicht bestätigt....“

150416 Heisses Thema Abfackeln 527. Montagsdemo.geaendertIngrid Lettman, Anwohnerin aus Hassel: „Der Unfall war in der Nacht um 2.30 Uhr. Dann rund 18 Stunden später ging es nochmal ganz laut los, so laut, dass die ganzen Häuser vibrierten, man das Vibrieren im eigene Körper spürte, bei machen Leuten ca, zwei Kilometer weit weg wackelte die ganze Dekoration in der Wohnung. So etwas haben wir noch nicht erlebt. Wir sind insgesamt gegen das Abfackeln, und wir sind der Meinung, man muss jetzt die Forderung nach Bodenproben durchsetzen, weil es ist ja alles runtergegangen. Wir sind von AUF aktiv, mit großer Resonanz, und selbst in der Schule fragen sich die Kinder und Jugendlichen, die Lehrer, warum keine Gasrückgewinnungssysteme eingebaut werden, und sehen es auch so, dass es da um den Profit geht. Technisch ist es längst möglich und erprobt, anfallende Gase aufzufangen und zu nutzen.“

50 weitere Unterschriften auf der Montagsdemo gegen das Abfackeln bei BP unterstreichen den großen Willen in der Bevölkerung nach Aufklärung und Maßnahmen für Umwelt und Arbeitsplätze.

Jan Specht, Diplom-Ingenieur und sachkundiger Einwohner für AUF, hat für den nächsten öffentlichen Umweltausschusses am 5. Mai 2015 das Thema für die Tagesordnung beantragt und auch die Erörterung zusammen mit der Bezirksvertretung Nord. „Wir gehen von einer erheblichen Belastung der Umwelt und Gefährdung der Anwohner aus. Es wurden mit stark lodernder, offener Flamme Produkte wie Gasöl, Benzin und Diesel verbrannt. Dabei entstehen zwangsläufig giftige Verbrennungsprodukte. Informationen über Menge und Zusammensetzung der verbrannten Stoffe, sowie die dabei entstehenden Schadstoffe werden von BP zurück gehalten. Die Gefährdung der Bevölkerung aber nicht zum Betriebsgeheimnis erklärt werden. Das Argument, Arbeitsplätze wären gefährdet, stimmt auch nicht - konsequenter Umweltschutz schafft Arbeitsplätze, er gefährdet höchstens Maximalprofite.“

Susanne Wagner, gelernte Chemielaborantin, kennt die Situation bei BP auch als Anwohnerin in Horst. Ihr Fazit: Gelsenkirchen ist an einer immens großen Gefahr durch den Unfall vorbeigeschrammt. Richtig ist, dass das Abfackeln in solchen Situationen eine Notfalllösung ist, um Schlimmeres zu verhindern – was zum Glück am 27. März ja gelang. „Wie noch alles hätte passieren können und mit welchen Folgen, möchte ich mir gar nicht vorstellen.“
Wie es aber in einem chemischen Werk zu einem einem Stromausfall mit so katastrophalen Folgen kam, ist ungeklärt. Normalerweise muss einen Stromversorgung mehrfach abgesichert sein und springt nach drei bis vier Sekunden die Notfallversorgung ein. Das wirft Fragen auf, welches Risiko von den offensichtlich nicht beherrschten Problemen bei den Anlagen ausgeht, die mitten in einem Wohngebiet stehen. „In Krankenhäusern wird monatlich die Notstromversorgung geprüft, man stelle sich vor, mitten in der OP geht nichts mehr“, so eine Teilnehmerin am offenen Mikrofon, die wie viele andere großes Unverständnis und Fragen hat. Sie warf auch auf, ob das beabsichtige Ende von E.on 2018 dazu führt, dass die entsprechenden Vorrichtungen nicht mehr wie nötig vorgehalten werden.

Dr. Willi Mast, Allgemeinmediziner weist auf die große Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung hin: „Es gibt bei den ausgestoßenen Giften keine unbedenkliche Dosis, sie haben auf jeden Fall Auswirkungen auf die Gesundheit. Benzol ist z.B. krebserregend und schädlich auch in niedrigster Menge.“ Er ist in AUF umweltpolitisch aktiv, unter anderem im „Umweltforum Gelsenkirchen“, das ebenfalls die Aktionen gegen das Abfackeln zu seiner Sache gemacht hat.

Peter Reichmann, Diplom-Physiker, kritisierte entschieden das Lavieren von BP, wann zu welchem Zweck abgefackelt wird. „Es gibt eine relativ enge Vorgabe in der TA Luft. Eine Möglichkeit, sie zu umgehen ist es, wenn der Normalfall als Störfall deklariert wird. Abgesehen von Notfällen gibt es aber keinen Grund, warum gefackelt werden müsste.“

Die Montagsdemo hat Erfahrungen, die unschätzbar wertvoll ist für das Ziel, das Abfackeln zu stoppen. Sie hat in über 10 Jahren Kompetenz und einen langen Atem entwickelt, Klarheit und nüchterne Einschätzungen, ohne sich den Schneid abkaufen zu lassen. Diese Trümpfe werden weiter gebraucht, ob im Kampf gegen den Giftmüllskandal unter Tage, gegen Fracking oder gegen die kaltblütige Profitlogik wie sie BP auf Kosten der Umwelt betreibt. Das Durchhaltevermögen lehrt uns, mutig hohe Ziele zu stecken und auf die Einheit von Mensch und Natur, von Arbeitsplätzen und Umweltschutz zu bauen. Allerdings gerät dadurch zunehmend das ganze kapitalistische System ins Visier, das der Zerstörung der Umwelt nichts entgegen zu setzen hat als Schönfärbereien und Umweltvereinbarungen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.

Aller guten Dinge sind drei: Herzliche Glückwünsche gingen an drei Geburtstagskinder, und drei Beschlüsse wurden einstimmig gefasst:
Erstens wendet sich die Bürgerbewegung mit einem Protestbrief an den DGB, der einen Stand der Umweltgewerkschaft in Gelsenkirchen abgelehnt hat. Die aktuellen Ereignisse – auch bei BP – unterstreichen jedoch, wie wichtig eine überparteiliche und starke Organisation für den Umweltkampf ist, um der katastrophalen Umweltpolitik großer internationaler Konzerne entgegen zu treten.
Zweitens finanziert die Montagsdemo die Plakate „Stopp dem Abfackeln“. Eine tolle Initiative des Jugendverbandes REBELL, der Aufkleber und Plakate entworfen hat, die in weithin sichtbar sind – und bleiben, solange bis unsere Forderungen erfüllt sind!
Drittens richten wir unseren Protest auch gegen das Einreiseverbot von Eugène Badibanga Kapongo, Gewerkschaftssekretär der Kupfergewerkschaft im Kongo. Er vertritt hunderttausende Bergleute in seinem Land und wurde auf der ersten internationalen Bergarbeiterkonferenz 2013 in Peru in das Internationale Koordinierungskomitee gewählt. Er steht dafür, dass sich die internationale Bergarbeiterbewegung mit an die Spitze des Umweltkampfes stellt.

Sonnig gelaunt bei gutem Wetter, auf stürmische Zeiten eingestellt und von vielen Passanten begrüßt, ging die Demonstration durch die Innenstadt – und machte auch dort auf das brennende Thema aufmerksam. Weiter geht es damit auf der nächsten Montagsdemo am 20.4.15 – zum 528. Mal, ab 17.30 Uhr auf dem Platz der Montagsdemo, ehemals Preuteplatz.