AUF Bericht der 4. Ratssitzung am 4. März 2021:

Eine Mammutsitzung hatte der Rat am 4. März 2021 zu bewältigen. Beginn 14 Uhr, Ende über acht Stunden später 22:15 Uhr. Auf Tagesordnung waren 26 Tagesordnungspunkte allein im öffentlichen Teil, mit 33 Unterpunkten, drei Dringlichkeitsanträgen und viel Stoff. Die Vorbereitung stand unter keinem guten Stern. Kritik gab es von verschiedenen Seiten an der Kurzfristigkeit, 25 Vorlagen wurden nachversandt oder kamen kurz vorher als Tischvorlage. Jan Specht ist wie viele andere auch ehrenamtlicher Stadtverordneter, berufstätig, wie soll man das leisten, wie soll er sich dazu in AUF Gelsenkirchen beraten? Dabei ging es um keine Kleinigkeiten sondern u.a. um das Bäderkonzept, um Livestream, um Corona-Maßnahmen und finanzielle Auswirkungen. AUF nimmt sich selbst vor, für die demokratische Beratung auch die eigenen Anträge möglichst früh einzureichen. Drei AUF-Besucher verfolgten gespannt in der Sporthalle Schürenkamp die kontroversen Diskussionen. Sie hatten sich auf eine längere Sitzung eingestellt, zu Recht: Es zog sich allein bis 15.40 Uhr, als die Tagesordnungsdebatte zu Ende ging.

Bäderkonzept und neue Polizeihochschule – Riesen-Projekt von Verwaltung und Politik mit Hochdampf vorangetrieben

AUF hat viele Jahre mit für einen Bäderkonzept und den Erhalt aller Bäder Standorte gekämpft. Der gemeinsame Beschluss des Rates für diese Bäder-Konzeption war ein großer Erfolg für Gelsenkirchen. Die jetzt vorliegenden Pläne sieht AUF Gelsenkirchen mit großer Skepsis. Zu denken gibt allein schon, dass der Rat über eine Beschlussvorlage abstimmen sollte, die erst kurz vor knapp eingereicht wurde – obwohl sie eine wesentliche Modifizierung des Grundsatzbeschlusses zum Bäderkonzept darstellt. Großer Zeitdruck wird aufgebaut, damit Gelsenkirchen sich bewirbt als Standort der neuen Hochschule für Polizei und Verwaltung. In diesen neuen Hochhauskomplex soll am Standort Zentralbad ein neues Becken eingebaut werden. Jan Specht positionierte sich zu diesem befremdlichen Vorgang. „Was ist übrig geblieben vom so oft zitierten ergebnisoffenen Verfahren. Was ist mit dem bereits vereinheitlichen Vorgehen? Wenn das Zentralbad abgerissen wird, fehlt in der Bauphase das wichtigste Bad für den Schul- und Vereinssport. Außerdem fehlt dem Vorgang die viel versprochene Transparenz, sowohl was die Kosten anbelangt wie auch die Bauplanung. Fraglich ist auch, wieviel Wasserfläche bleibt für den Vereinssport und Schulsportvon dem hoch gelobten größeren 50-Meter-Becken statt des geplanten 25 Meter-Beckens, wenn die Studenten diese Wasserflächen ebenfalls nutzen? Wir sehen es sehr kritisch, in der Gelsenkirchener City einen weiteren Hochhauskomplex zu errichten, die Fläche zu versiegeln und weitere Hitzeinseln zu schaffen. AUF Gelsenkirchen hat mit seinem eigenen im Jahr 2017 vom Dipl. Architekten Harald Andre erstellten Bädergutachten einen Entwurf eingebracht für ein modernes Bad, das sich in die vorhandene Wohnumgebung bestens einpassen würde.“ Es ist hier nachzulesen.

Warum dieser Druck? Klarer Hintergrund sind die einen gebrochenen städtischen Finanzen in Corona- Zeiten. Wieso wurden solch weitreichende Pläne nicht bereits im HFBPD besprochen? Warum nicht im Fachausschuss für Sportentwicklung am 17.02.2021? Da wurde das Thema überhaupt angerührt. Dieser Stil ist allzu bekannt, mit so einem Verfahren ist AUF grundsätzlich nicht einverstanden. Kritische Hinweise waren offensichtlich nicht gewünscht. In seinem Redebeitrag wurde Jan Specht mehrmals von der Oberbürgermeisterin Frau Welge unterbrochen, wogegen er protestierte. Die offene Diskussion im Rat nötig, bei solch einem Mega-Projekt muss das FÜR und WIDER diskutiert und der Beschluss gründlich vorbereitet werden. Auch Martin Gatzemeier/Linke mahnte, dass genügend Lobesworte der andere Parteien gefallen seien und warf die Frage auf, was passiert wenn die Vergabe nicht nach Gelsenkirchen kommt – kommt es dann zum Rollback? Zu viele Fragen sind offen angesichts der Art und Weise wie der Beschluss hier durchgepeitscht wurde. Jan Specht stimmte für AUF Gelsenkirchen gegen den Beschluss der Modifizierung des Bäderkonzeptes. Wir sehen viel Beratungsbedarf und werde diese öffentliche Debatte mit führen.

TOP OF THE FLOPS – Scherbenhaufen Rats-TV

Einer der größten Flops in dieser Ratssitzung war das AUS für einen Livestream der Ratssitzungen. Nach sechs Jahre Diskussion schien das Projekt so gut wie sicher, nachdem vor allem SPD und CDU hier über Jahre auf die Bremse gegangen waren. Nachdem Bündnis90/Grüne und die Partei einen guten Antrag vorgelegt hatten, zog die GroKo nach und legte zusammen mit FDP und „Tierschutz hier!“ auf die letzten Meter einen eigenen Antrag vor - pro Rats-TV. Zuerst sollte die generelle Entscheidung fallen, dann die Feinheiten folgen. Das betraf die geforderte Gebärdendolmetschung von Grünen und Partei, und vor allem die Nutzungsrechte der Aufzeichnungen. Zunächst appellierte in einer langen Rede Taner Ünalgan/SPD für die Zustimmung zur Beschlussvorlage von SPD und CDU – und dafür, dass alle Rechte bei der Stadt Gelsenkirchen bleiben, um eine missbräuchliche Nutzung auszuschließen, was klar in Richtung AFD ging. Jan Specht hielt das für eine defensive Einschränkung der eigenen Möglichkeiten:„Die Grünen und die Satirepartei haben eine ausgereifte Vorlage eingebracht, in der Transparenz, Datenschutz, öffentliches Interesse und auch die technischen Fragen austariert sind. Der Umsetzungsvorschlag der GroKo ist hingegen ein Dokument der Zögerlichkeit und Ängstlichkeit. Insbesondere stößt mir auf, dass jegliche Weiterverwendung nur durch die Stadtgeschehen soll – da scheint mir wenig Vertrauen in die eigenen Argumente da zu sein. Beim Antrag von Grünen und Satirepartei hingegen wird der Redner selbst zum Nutzungsberechtigten. Warum diese Zögerlichkeit und Ängstlichkeit vor der AfD? Ich bin überzeugt, dass ein Großteil der Menschen deren Argumenten nicht folgt. Man sollte Ihnen das Spielfeld Facebook nicht überlassen, sondern dagegen selbst in die Offensive gehen. Die Frage ist ja auch, ob sich deren Vertreter selbst daran halten. Man sollte nicht die eigenen demokratischen Rechte beschneiden. Wer gute Argumente hat, braucht auch eine Veröffentlichung nicht zu fürchten und es steht ja ohnehin jeder/jedem Stadtverordneten/m frei, eine Aufzeichnung auszuschließen. Ich denke es wird auch für eine Effektivierung der Debatte beitragen, wenn man bestimmte Diskussionen noch mal nachvollziehen kann, es wird das Protokoll entlasten und man muss nicht ewig auf die Möglichkeit zur Tonbandabhörung warten.“

Ein Drama in vielen Akten:Trotz allen bekundeten Zustimmungen FÜR ein Rats-TV fiel der Beschluss dagegen. Die Aufteilung der Vorlagen in einen Grundsatzbeschluss und ein Umsetzungskonzept war schon ungewöhnlich. Gingen einige Ratsmitglieder zunächst noch beschwingt zur Wahlurne, folgte die Ernüchterung kurz danach. Betretene Gesichter nach der Auszählung: mit 26 Stimmen dagegen und 22 Stimmen – Livestream ade! Offensichtlich ein wohlorchestriertes Schauspiel der großen Koalition, um nicht offen gegen den Livestream sprechen zu müssen. Lieber als sich selbst zu verändern, als gut und sachlich zu argumentieren, halten sie sich die BürgerInnen vom Leib. Sie hatten noch nicht einmal den Mumm, das in einer offenen Abstimmung kundzutun. Die Politiker in AUF sind aus gutem Grund rechenschaftspflichtig und abwählbar, genießen keinerlei finanzielle Vorteile, ein echter Trumpf. AUF meint: Eine schlechte Entscheidung für Gelsenkirchen und verpasste Chance! Ein Grund mehr, sich auf der Zuschauertribüne im Rat einzufinden, wie AUF-Mitglieder und Interessierte das auch regelmäßig machen. Jan Specht äußerte sich in der Presse zu diesem nutzlosen Rätselraten: „Wer schlechte Argumente hat, scheut natürlich das Licht der Öffentlichkeit! Wer eine ätzende Streitkultur hat, meidet natürlich die öffentliche Debatte und erst recht die Kontrolle!“ Die Pressemitteilung ist hier nachzulesen.

Klares JA für Corona-Tests – klares NEIN zur vorgeschobenen Diskussionen der AfD

Gegen die Stimmen der AFD wurde der beantragte TOP über das „Böblinger Modell“ abgelehnt. Dieses Modell für intensive Corona-Tests ist wert, darüber an anderer Stelle zu debattieren. Aber es ist abzulehnen, wenn die AfD ausgerechnet da ansetzt. Jan hielt ihnen entgegen, dass ihre VertreterInnen noch am Beginn der zweiten Welle sich offen dagegen aussprachen, dass sie vor dem Hans-Sachs-Haus gegen die Maskenpflicht demonstrierten, vor Panikmache warnten! Der Gipfel der Dreistigkeit war ihre Behauptung, einer müsste ja mit dem guten Projekten beginnen. Sie bekamen von vielen anderen Ratsmitgliedern die passende Antwort.

Die wichtigen Fragen zu Corona-Test, zur Impfstrategie und Auswirkungen der neuen Covid-Schutzverordnung werden in der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses behandelt, für diesen Beschluss sprach sich auch Jan Specht aus.

Abfallwirtschaftskonzept – fehlende innovativen Konzepten

Jan Specht begründete, warum er dem Entwurf trotz vieler positiver Aspekte nicht zustimmt. „Die Vorlage zeigt die ständig sinkende Restabfallmenge je Einwohner, die zur besseren Verwertung der Abfälle beitragen wollen. Das Konzept wird sehr dünn, wenn es um Pläne für die Entwicklung in den immerhin nächsten 10 Jahren geht. Im Wesentlichen ist es eine Fortschreibung des bisherigen einschließlich der Müllverbrennung, die wir von AUF ablehnen, weshalb wir dem Konzept so nicht zustimmen werden.Wir haben in den Betriebsausschuss einen Antrag eingebracht für eine Wertstofftonne als wesentlichen Beitrag für die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft. Wir schlagen vor, die jetzige Gelbe Tonne zu einer Wertstofftonne weiterzuentwickeln, im Anschluss an den laufenden Vertrag. Bis dahin sollte eine geeignete Übergangslösung konzipiert werden. Ich werde mich von daher bei der Abstimmung enthalten.“ Die Pressemitteilung von Peter Reichmann, AUF Gelsenkirchen, ist hier nachzulesen.

Gedenkveranstaltung für die Verstorbenen der Corona Pandemie

Der Rat brachte dies auf den Weg, um der bis jetzt 331 GelsenkirchenerInnen zu gedenken, die seit Beginn der Pandemie mit oder an Corona gestorben sind. Über die Art und Weise der Durchführung wurde ausführlich diskutiert. Auf Antrag von AUF wurde ergänzt, dass diese Veranstaltungen sich in unserer Stadt mit Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern und Kulturen nicht nur an Glaubensgemeinschaften wendet, sondern auch an andere Solidargemeinschaften. Die Linke brachte einen Einwand vor, wo denn der Opfer von völkerrechtswidrigen Angriffen gedacht wird, von Umweltveränderungen, der Verkehrstoten, wo Menschen für ihr besonderes Engagement geehrt werden, wie in der jetzigen Corona-Pandemie. Jan Specht brachte ein, dass zum Respekt vor den Toten für ihn aber auch gehört, zu Fragen, warum eine zweite Welle, in der so viele Menschenleben zu beklagen waren, nicht verhindert wurden. Für ihn hängt das ganz klar mit der verfehlten Strategie zusammen: Zu keinem Zeitpunkt wurde ein konsequenter Lockdown verhängt – die industrielle Großproduktion in Deutschland stand keinen Tag lang still. Hier wurde er wieder von Oberbürgermeisterin Welge unterbrochen, die an Grundsatzfragen offensichtlich nicht interessiert ist. Für AUF Gelsenkirchen war das aber kein Grund, dem Vorschlag nicht zuzustimmen. Die AfD lehnte den Vorschlag als „Schnellschuss“ ab. Die Stadtverwaltungwurde beauftragt, einen Vorschlag für evt. auch regelmäßige Veranstaltungen und ihren Rahmen vorzubereiten.

Neuer Kämmerer für Gelsenkirchen

Mit großer Zustimmung wurde Luidger Wolterhoff gewählt. Er war seit 2016 Stadtrat für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz. AUF gratulierte ihm mit einem kleinen Präsent und wünscht ihm alles Gute. Auch wenn wir es schade finden, dass er als als Sozialdezernent ausscheidet, sind seine Erfahrungen im Bereich Arbeit und Soziales sicher eine Chance, diese wichtigen Aspekte bei den Finanzen im Auge zu haben. Die Leitung im Sozialdezernat wird demnächst neu besetzt, die Stelle ist ausgeschrieben.

Muezzin-Ruf in Gelsenkirchen

Wie auch immer man dazu steht - die Anträge der AfD dazu bekamen in der Tagesordnungsdebatte, was sie verdienten: klare Worte und eine Abfuhr. Ihr Antrag lautete: „Die Gelsenkirchener verdienen eine Antwort und diese lautet: Der Muezzinruf gehört nicht zu Gelsenkirchen!“ In vier Seiten Begründung zogen sie dagegen zu Feld. Die Anträge wurden von der Tagesordnung genommen, Jan Specht enthielt sich wie auch der Vertreter der Partei, weil er eine grundsätzliche Debatte begrüßt. Seine Position: „Ich bin der tiefen Überzeugung, dass Religion Privatsache sein sollte. Dies ist in unserer Gesellschaft leider nicht der Fall, da es eine erhebliche finanzielle staatliche Unterstützung insbesondere für die Kirchen gibt. Ich halte es auch für eine Instrumentalisierung der Religion, wenn man meint durch die Forderung nach einem öffentlichen Gebetsruf etwas zum Zusammenleben in dieser Stadt zu tun. Die AfD hingegen greift dies natürlich gerne für ihre Islam- und fremdenfeindliche Agenda auf, die ich scharf verurteile. Viel zu oft werden muslimische Menschen aufgrund ihrer Religion diskriminiert.Ich persönlich bin auch nicht unbedingt ein Freund des öffentlichen Kirchenläutens, aber ich werde sicher nicht das Verbot dieser jahrhundertealten Tradition fordern. Solche Fragen kann man nicht per Verordnung entscheiden. Vielmehr muss doch die Frage gestellt, ob die Kirchenund Moscheeverbände noch die Gläubigen Menschen wirklich vertreten, wo sich doch gerade innerhalb der Religionsgemeinschaften die Kritik an Mißbrauch oder Fanatismus häuft, geäußert zum Beispiel durch die Reformbewegung Maria 2.0.“

AUF stellte diese Anfrage zur Maskenpflicht und zum Schutz vor Corona in Rat und Ausschüssen:

Welche Möglichkeiten sieht die Stadtverwaltung, die Befreiung von der Maskenpflicht durch Attest oder Ähnliches zu überprüfen? Liegen Erkenntnisse zu falsch ausgestellten Zertifikaten vor?