Von Bodo Urbat vom kommunalen Wahlbündnis "Essen steht AUF":

Seit Beginn der Streiks der GDL-Eisenbahner läuft eine üble Stimmungsmache in den sogenannten „Qualitätsmedien“ gegen die Kolleginnen und Kollegen der GDL und ihren Vorsitzenden Claus Weselsky. Wahrheitswidrig wird behauptet, die Positionen der GDL und Deutschen Bahn (DB) lägen gar nicht so weit auseinander, dass dafür ein Streik gerechtfertigt wäre. Der GDL ginge es nur um einen unsinnigen „Machtkampf“. Häufig wird Weselsky unsachlich und persönlich diffamierend wie ein machtbesessener Irrer dargestellt.

Als in der NRZ am 23.08.21 ein Artikel samt „Klartext“-Kommentar erschien, der genau dieser einseitigen und unsachlichen Mobilmachung der Medien entsprach, schrieb ich den folgenden Leserbrief, der am 24.08. auch vollständig abgedruckt wurde:
„In seinem „Klartext“ unterstellt M. Minholz der GDL unsachlich eine „Rauflust“, die eine Lösung des Tarifkonfliktes erschwere. Kein Wort dazu, dass die DB die Kündigung der betrieblichen Zusatzrente nur gegenüber der EVG-Gewerkschaft zurückgenommen hat, nachdem diese einem Tarifvertrag zustimmte, der Lohnverlust bedeutet. Die Streiks der GDL-Mitglieder sind sowohl wegen dieser Provokation des DB-Vorstands als auch wegen der Lohnforderung berechtigt. Auch die ständige Behauptung, dass der Streik angeblich nur geführt werde, weil der Gewerkschaftsvorsitzende Weselsky und die GDL-Mitglieder wegen des „Tarifeinheitsgesetzes“ sich einen „Machtkampf“ mit der DB liefern, ist eine unsachliche Interpretation der Motive. Tatsächlich bedeutet dieses Gesetz einen massiven Angriff auf das Streikrecht kleinerer Gewerkschaften.
Wenn jemand eine Lösung des Konflikts erschwert, dann die DB. Die Berichterstattung und Kommentierung der Streiks der GDL-Eisenbahner in der NRZ ist einseitig parteiisch zugunsten der DB.“

Die miesen Tricks der DB und ihre Hintergründe

Dazu noch ein paar Ergänzungen: In seinem Kommentar schrieb M. Minholz auch: „Mit allerlei Tricks und Finten versuchen Bahn und Lokführer in ihrem Tarifstreit, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.“
Was wohl den Eindruck erwecken soll, ausgewogen beide Seiten zu kritisieren, ist in Wirklichkeit reine Desinformation. Denn Tricks und Finten wenden allein die DB und die Medien an. So weist der bekannte Publizist und Privatisierungskritiker Werner Rügemer in einem Artikel auf folgende Hintergründe für die Haltung der Bahn hin:
"Was viele etablierte Medien verschweigen und was auch die EVG verschweigt: Im Tarifvertrag der EVG mit der DB steht eine Ausstiegs-Klausel, eine sogenannte "Angstklausel", juristisch ein Sonderkündigungsrecht: Wenn "eine andere Gewerkschaft" (die GDL wird nicht genannt) einen höheren Abschluss erreicht, kann die EVG ihren Tarifvertrag kündigen und nachverhandeln. So steht es in "Anlage 11 Sonderkündigungsrecht". Das betrifft auch die Corona-Prämie, auf die die EVG verzichtet hatte. Die EVG muss bei einem GDL-Erfolg natürlich nicht kündigen. Sie müsste nicht, aber dann stünde sie als vorstandsabhängige Marionette noch deutlicher da. Sie müsste also kündigen und nachfordern. Und das wäre dann für den Konzern kostspielig, denn der DB-Vorstand fördert ja ganz verbissen, dass die EVG viel mehr Beschäftigte vertritt als die GDL. Auch deshalb soll die GDL
möglichst verschwinden. Aber der Fall der nachträglichen Tarifkündigung darf nicht eintreten, so der DB-Vorstand und auch die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung. Das würde der DB viel kosten, und vor allem: Die EVG stünde als Lusche da, die GDL als erfolgreich. Eben das ist der Machtkampf, der Klassenkampf, der von oben, mit Fake-News und billiger Polemik geführt wird.“
(Telepolis, 25.08.21)

Die Streiks der GDL aber auch bei den Krankenhäusern von Charité und Vivantes in Berlin kommen natürlich den angeschlagenen „Volksparteien“ im Wahlkampf sehr ungelegen, weil sie Farbe bekennen müssen. Gut, von CDU oder FDP oder dem Totalausfall Andi Scheuer erwartet man nichts anderes, als einseitige Parteinahme für die DB. Aber auch zwei SPD-Bundestagsabgeordnete (darunter Karl Lauterbach) haben sich öffentlich der Stimmungsmache gegen die GDL angeschlossen.

Die Kolleginnen und Kollegen der GDL brauchen und verdienen deshalb unsere volle Solidarität. Sie setzen mit ihren Streiks ein wichtiges Signal für alle Arbeiter und Angestellten, die gegen Arbeitsplatzvernichtung kämpfen und die sich angesichts steigender Preise durch die hohe Inflation fragen, ob nicht deutlich höhere Lohnabschlüsse oder auch ein Lohnnachschlag (z.B. in Form einer Corona-Prämie) erkämpft werden müssen."