jan specht web2Etwa sechzig Bürgerinnen und Bürger kamen zur Versammlung ins Arbeiterbildungszentrum nach Gelsenkirchen Horst. Unser Mitglied Jan Specht fasste die Auseinandersetzung mit BP zusammen. Seinen Vortrag geben wir hier leicht bearbeitet wieder: AUF Gelsenkirchen hat beschlossen: „Schluss mit dem Abfackeln bei BP!“. AUF ist sind bekannt dafür, dass wir bei heißen Eisen nicht locker lassen. Wir wollen informieren, eine Zwischenbilanz ziehen, das weitere Vorgehen beraten. Hier in Gelsenkirchen haben wir es mit dem Abfackeln von Gasen aus der Erdölverarbeitung zu tun. Erdöl hat über 17.000 Bestandteile.

In der BP-Raffinerie wird Erdöl durch Destillation, also Erhitzen und Abkühlen in verschiedene Bestandteile zerlegt, die zu Benzin, Diesel, Heizöl, Ethylen und einigen weiteren Produkten in sogenannten Crackern weiterverarbeitet werden. In den Raffinerien in Horst und Scholven gibt es mehrere Fackeln. Anwohner berichten, diese sind häufig bis mehrmals wöchentlich in Betrieb sind. Das Abfackeln muss eingestellt werden, weil:

- Ruß, Feinstäube und Schadstoffe werden in die Umgebung ausgestoßen, darunter krebserregende Kohlenwasserstoffe,
- Anwohner werden mit Lärm und Helligkeit belästigt,
- Rohstoffe werden sinnlos und teuer verschwendet,
- das ausgestoßene CO2 trägt zur Klimaerwärmung bei.

Gelsenkirchen liegt nach Zahlen des epidemiologischen Krebsregisters bei Krebsneuerkrankungen in NRW an dritter, bei der Krebssterblichkeit sogar an erster Stelle. Hier im umweltpolitischen Horster Bermuda-Dreieck zwischen der Müllverbrennungsanlage Karnap, dem Kohlekraftwerk Scholven und den Raffinerien in Horst und Hassel sind die Menschen besonderer Belastung ausgesetzt. Wir möchten einige Argumente  von  BP widerlegen.


Buergerversammlung Besucher Web1. Abfackeln ohne Alternative: BP kann es doch selbst anders!

Wer dies behauptet, liegt falsch. Das Abfackeln  bedeutet nicht nur eine enorme Gesundheits- und Umweltbelastung, sondern eine gigantische Rohstoffverschwendung. Rückgewinnnung mag sich für BP kurzfristig nicht rechnen. Marc Schulte, Leiter der Standortkommunikation BP Gelsenkirchen gab aber zu, dass beim Abfackeln „wertvolle Rohstoffe unwirtschaftlich verbrannt werden.“ (WAZ, 16.8.2013)

Die Firma Bayernoil, eine BP Tochterfirma, wirbt auf ihrer Homepage: „Früher waren sie das Wahrzeichen jeder Raffinerie: kilometerweit sichtbare Hochfackeln zum Verbrennen von Überschußgasen, die momentan nicht verarbeitet werden konnten. Heute gewinnt Bayernoil die anfallenden Gasmengen in einer Fackelgasanlage zurück, und nutzt sie im Ofen der Destillationsanlage zum Erhitzen des Rohöls. So wird die Luft nicht mehr mit Abgasen belastet, Ressourcen und Klima werden geschont“. An der Bayernoil-Raffinerie sind sowohl BP Europa mit 10, als auch die Firma Ruhr Oel (die zur Hälfte BP gehört) mit 25% beteiligt. Es gibt ausgereifte Technologien bei BP, die Fackelgas-Rückgewinnungssysteme anbieten. Wir fordern  deshalb für Gelsenkirchen, die Einrichtung einer Technik der Notentspannung in einem geschlossenen System der Wiederverwertung, für dessen Kosten die BP aufkommt.

2. Die BP definiert den Notfall

Buergerversammlung Podium
Ein Notfall wäre z.B. ein unvorhergesehener längerer Stromausfall, was maximal vielleicht alle 2 bis 3 Jahre auftreten könnte. Für die BP gelten schon Wartungsarbeiten als außergewöhnliche Notfälle, wie in allen großtechnischen Anlagen regelmäßig notwendig. Anwohner aus Hassel haben vom 1.9.2014 bis zum 25.10.2014, in einem Zeitraum von 52 Tagen, Fackelaktivitäten beobachtet. Teilweise war mehr als eine Fackel in Betrieb, so dass wir auf 37 Fackelvorgänge für diesen Zeitraum kommen. Alles Notfälle?

BP schrieb über den Standort Lingen, es werde Gas nur wiederverwertet, wenn es unmittelbar in den Prozessöfen verfeuert werden könne. Eine Speicherung und Rückführung gibt es nicht.

3. Wirklich rückstandsfrei? Nachhilfe für BP in der Chemie!

Nach Angaben von BP werden 99% des Fackelgases verbrannt. Und nur ein 1 % habe Rückstände. Aber auch die 99% verbrennen nicht rückstandsfrei, wie die BP gegenüber der WAZ vom 31.10.2014  fälschlicherweise behauptet.

Buergerversammlung Prof Joo
Von Anwohnern oft beobachtet und dokumentiert, sieht man deutlich dunkle Rußfahnen aus der Fackel entweichen. Professor Christian Jooß, Materialphysiker der Universität Göttingen und heute als Experte eingeladen, erläutert dazu: „Dass beim Abfackeln die Gase rückstandslos verbrannt werden, und nur Wasserdampf und Kohlendioxid in die Luft gelangen ist nicht richtig. Kohlendioxid ist ein farbloses Gas und damit im sichtbaren Licht unsichtbar. Wasserdampf erscheint bei hoher Dichte weiß bis hellgrau.

Wenn schwarze Rauchfahnen auftreten, sind notwendigerweise andere Inhaltsstoffe im Abgas. Die Aussage von AUF Gelsenkirchen, dass es sich um eine unvollständige Verbrennung handelt, bei der Ruß und Feinstäube entstehen, ist richtig.“ Eine rückständsfreie Verbrennung sei nur mit reinen Sauerstoff möglich, Luft sei aber ein Gasgemisch. Dies bedinge "unreine" Verbrennungsprozesse, die eben nicht rückstandsfrei seien, und Rußpartikel entstehen ließen, so führte Jooß weiter aus.

Und Hermann Kruse, Toxikologe am Uniklinikum in Kiel/Schleswig-Holstein, sagt ganz klar: „Die Hauptemittenten der Gasfackeln sind Kohlendioxid und Wasser. Richtig ist aber auch, dass je nach Verbrennungsbedingungen u.a. auch polyzyklische Aromaten gebildet werden, welche krebserzeugend wirken, wenn sie eingeatmet werden.“ ...

4. Das Wünschbare und die Wirklichkeit: BP´s Umweltstandarts

Warum reagiert BP immer erst, wenn Bürger, Anwohner oder Beschäftigte selbst aktiv werden wie z.B. die Bürgerinitiative Grün für 3? Sie kämpft seit Jahren gegen die hohe Benzolbelastung in Scholven oder die Vereinnahmung des Landschaftsschutzgebietes durch die Norderweiterung durch die BP. Fest steht, dass Benzol als Krebsinitiator Leukämien (Blutkrebs) hervorrufen kann. Toleranzwerte gibt es nicht; es gilt das Minimierungsgebot. ...

Was steht nun wirksamen Umweltschutzmaßnahmen entgegen? „Umweltschutz kostet Arbeitsplätze“. Politiker der etablierten Parteien  werden davon geleitet, was „machbar“ oder „realistisch“ ist. Umweltschutz nur dann, wenn es die Profite nicht gefährdet?

Zu kurz gesprungen: Umweltschutz kostet, aber bringt Arbeitsplätze!

In der Rentabilitätsrechnung der Manager von Konzernen wie BP, Opel oder Siemens sind die Arbeiter und Angestellten nur Kostenfaktoren. Bringt die Bilanz nicht mehr das gewünschte Ergebnis, ist es mit dem Herz für die Arbeitsplätze nicht mehr allzu weit her, wie wir gerade bei Opel Bochum beobachten können, wo ein hochproduktives Autowerk schließen soll. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Maßnahmen zur Betriebssicherheit und zum Umweltschutz ebenfalls Kostenfaktoren. ...

Im Interesse von Natur, Anwohnern und Arbeiter zählt für uns: Der Kampf um eine möglichst hohe Lebensqualität und Gesundheit der Arbeiter bei BP als auch der Anwohner in Gelsenkirchen, speziell in den BP-Anrainergebieten Scholven, Hassel, Buer, Horst und Beckhausen, aber auch Gladbeck und Marl. Natürlich akzeptieren wir die Option des Abfackeln als allerletzten sicherheitspolitischen Notausgang zur Vermeidung von Explosionen – aber wirklich nur dann! Ansonsten muss die Fackel aus bleiben und wir werden hier auch keine Ruhe geben. Die bisherige Unterschriftensammlung betrachten wir als großen Erfolg.