190829 GenerationswechselVor fast 20 Jahren habe ich – noch im Ratssaal – zum ersten Mal AUF Gelsenkirchen vorgestellt. „AUF ist so unnötig wie ein Kropf“ erklärte damals Herr Schulte unter tosendem Beifall und wollte uns so schnell wie möglich wieder los haben. Ich bin heute froh und glücklich, 20 Jahre dieses ungemein spannende Feld der Kommunalpolitik so intensiv kennengelernt zu haben - gerade in dieser Stadt Gelsenkirchen mit all ihren gesellschaftlichen Umbrüchen und Widersprüchen, die in Zukunft noch viele Städte erleben werden. Ich freue mich riesig, dass wir mit Jan Specht, den einige von Ihnen ja schon kompetent im Umweltausschuss erlebt haben, einen Generationswechsel durchführen. Nicht am Sessel zu kleben, sich selbst nicht für unentbehrlich halten, Vertrauen gerade in Jüngere zu haben - all das ist für AUF und mich persönlich eine zentrale Leitlinie zukunftsweisender Politik.

In den 20 Jahren habe ich immens viel gelernt: Dafür möchte ich mich ganz besonders bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung bedanken, die offen für Fragen über Fragen waren, unsere vielen Anfragen beantworteten, Tonbandabhörungen oder extensive Akteneinsichten begleiteten; den Dezernenten, die sich Zeit für fachkundige Einführung und Diskussion mit uns genommen haben - und bei all den engagierten Stadtverordneten mit quer durch fast alle Reihen großer kommunalpolitischer Kompetenz, klarer Positionierung gegen rechts, gegen Arbeitsplatzvernichtung und Ausbluten der kommunalen Haushalte – was insbesondere auch für den OB gilt, der zudem die Gefechte mit mir mehr und mehr sportlich nahm.
Zusammen mit AUF Gelsenkirchen widmete ich mich bekanntlich mit ausgesprochener Vorliebe den ganz heißen Themen wie dem ersten Bürgerbegehren Gelsenkirchens zum Hans-Sachs-Haus; den Millionen Euro, die am Rat vorbei in die Taschen des Investors flossen; den Geflüchteten; den Kämpfen der Belegschaften; dem Leben der Frauen an der Münsterstraße; der Gefahr durch Giftmüll unter Tage oder auch einer demokratische Streitkultur entgegen antikommunistischer Zerrbilder und Vorbehalte.

Ich erinnere mich noch gut, wie über eine doch betonhart lange Zeit sich die damaligen Akteure im Rat während meiner Redebeiträge bewusst lautstark unterhielten, reihenweise den Saal verließen oder sich köstlich amüsierten, als Herr Matzkowski mich mit einem Huhn verglich, das selbst mit abgeschlagenem Kopf noch flügel-schlagend herumrennt. Derartige Respektlosigkeiten gehören im Großen und Ganzen der Vergangenheit an, wohl weil inzwischen ein gewisses Verständnis gereift ist, wofür AUF Gelsenkirchen eigentlich wirklich steht und dass das antikommunistische Zerrbild unserer Arbeit ebenso realitätsfern wie kontraproduktiv ist. Die Grundsätze und Standards von AUF werden weiter gelten: Die Arbeit hier immer in Verbindung mit Basisarbeit zu betreiben, die Positionen im Rat aus der engen Zusammenarbeit mit den Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern, den AUF-Mitgliedern und Mandatsträgern und allen nur denkbaren Bündnispartnern zu entwickeln, alle Zuwendungen aus Sitzungsgeldern und Aufwandsentschädigungen zu spenden, öffentlich Rechenschaft abzulegen usw.

Es werden harte Zeiten auf die Kommunen zukommen: mit einer neuen Weltwirtschaftskrise, sinkenden Steuereinnahmen und Restriktionen für die kommunalen Haushalte. In dieser Entwicklung wird voll und ganz das Konzept von AUF Gelsenkirchen bekräftigt werden, die-
se Arbeit eben nicht als Parteipolitik, sondern wirklich als überparteiliche Kommunalpolitik zu betrachten. Denn Engagement für die Masse der Bevölkerung gerät zunehmend in Widerspruch zu den landes- und bundespolitischen Gegebenheiten, der Bundesregierung, den Bundesparteien und erst recht zu den Grundgesetzmäßigkeiten dieses kapitalistischen Systems.

Apropos Kapitalismuskritik: immer wieder fanden es Menschen besonders geistreich, mich Frau Gärtner-Engels zu nennen. So möchte ich mit einer Lebensmaxime von Friedrich Engels schließen, die auch gut für mögliche zukünftig harte Zeiten passt: „Streng denken, hart kämpfen, von ganzem Herzen lieben.“ In diesem Sinne Ihnen allen und ganz besonders Jan Specht und meinem unermüdlichen Rückhalt-Team auf der Empore alles Gute und viel Erfolg für Ihre künftige Arbeit im Sinne der Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener.